Künstlerischer Nachlass

Der künstlerische Nachlass Wilhelm G. Niemöllers umfasst ca. 3000 Einzelobjekte verschiedener Werkgattungen. Er repräsentiert das breit aufgestellte Gesamtwerk des Künstlers, das neben den zentralen Kategorien Holzskulptur, Monotypie und Scherenschnitt auch eine Vielzahl an Zeichnungen und Kunstwerke weiterer Techniken umfasst.

Die im Nachlass vereinten Werke spiegeln verschiedene Schaffensphasen Niemöllers und damit seine künstlerische Entwicklung seit den frühen 1950er Jahren bis zu seinem Tod 2017.

Holzskulpturen

Niemöllers Holzskulpturen sind in den 1970er bis 2000er Jahren entstanden. Die Objekte, aus industriell und handwerklich hergestellten hölzernen Fundstücken gearbeitet und häufig „montiert“, zeigen in ihrer Mehrzahl eine anthropomorphe Gestalt.

Das Zusammenwirken des organischen Materials Holz mit seiner natürlichen Individualität einerseits und der häufig offensichtlichen ehemaligen Funktionalität der Einzelkomponenten andererseits erzeugt künstlerische Spannung. Der Betrachtende fühlt sich angesprochen von den „Figuren“, die insgesamt ein Spiegelbild der Vielfalt menschlicher Existenz zu sein scheinen.

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Monotypien

Die Monotypien auf der Basis von Ölfarbe sind vor allem in den 1960er Jahren entstanden. Häufig blitzt der gesellschaftspolitische Diskurs der Zeit mit Themen wie Geschlechterverhältnis, Gewalt und gesellschaftliche Hierarchie künstlerisch auf. Dennoch wirken die Bilder zeitlos. Die meist mehrfarbigen Darstellungen sind besonders in ihrer starken formalen Komposition bemerkenswert und in ihrer Aussage überraschend aktuell.

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Scherenschnitte

Ende der 1990er Jahre entdeckte Niemöller den Scherenschnitt für sich. Die besondere Wirkung der meist gegenständlichen Darstellungen wird u.a. durch die Verwendung von schwarzem Sprühlack erreicht, mit dem er das Scherenschnittmaterial vorab präpariert. Durch diese Vorbehandlung und die klug kalkulierende Vorauswahl in Gestalt der vorgenommenen (Zu-)Schnitte wird das zweidimensionale Ursprungsmaterial belebt und die Kunstwerke zeigen sich dem Betrachter auf einmal plastisch und lebendig.

Der Scherenschnitt wirkt skulptural – und spielt dennoch mit den tatsächlichen oder vermeintlichen Regeln der realistischen Wiedergabe.

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Überzeichnungen

Seit der Jahrtausendwende setzte Niemöller sich mit dem Thema Überzeichnung auseinander. Als Zeichengrund für seine mit schwarzem Filzmarker gestalteten Überzeichnungen verwendet er ausschließlich Einzelseiten aus den Katalogen seiner eigenen früheren Ausstellungen.

Die Möglichkeit der Perspektivänderung auf das nun lose Blatt, das vorgegebene Layout von Text und Bild und die Reproduktionen der eigenen Ausstellungsobjekte bilden die gestalterischen Anknüpfungspunkte. So entstehen auf der Basis dieser „Bildregeln“ variantenreiche Neuinterpretationen, die den Eindruck spielerischer Frische und Leichtigkeit vermitteln.

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Kleinplastiken

Über Jahrzehnte hinweg begleitete die Konzeption von Bronze- und Eisenplastiken Niemöllers künstlerisches Schaffen.

Viele der meist handlich kleinen Objekte lassen in Formensprache und Materialität den Bezug zur klassischen Moderne erkennen. Ihre abstrakte, teilweise architektonisch geprägte Formgebung schafft durch die Ausgewogenheit von Proportionen und Ansichten ausbalancierte Kunstwerke mit distinguierter Ausstrahlung.

Die auch vorhandenen figürlichen Plastiken dagegen beziehen ihre Anziehungskraft auch aus der kalkulierten Brechung des vom Betrachter Erwarteten. Häufig genügt hierfür ein einzelner „Kunstgriff“ Niemöllers, der den Objekten ihren Charme und ihre künstlerische Individualität verleiht.

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Sprühbilder

In den 90er Jahren experimentierte Niemöller, parallel zur Arbeit an seinen Scherenschnitten, mit den künstlerischen Möglichkeiten des Sprühens. Als Materialien dienen dabei schwarzer Sprühlack und, als Sprühgrund, weißer Stoff, Packpapier oder auch Zeichenkarton.

Der zentrale Vorgang bei der Gestaltung ist die Manipulation des Trägermaterials vor dem Besprühen. Gezieltes Knittern, Falten, Belegen mit Fremdmaterial etc. bereitet das Ergebnis auf dem planen Grund vor, das aber nie in Gänze vorhersehbar ist. So hat der kalkulierte Zufall einen wesentlichen Anteil am künstlerischen Ergebnis.

Die Sprühbilder erzielen ihre Wirkung durch die Suggestion eines Spieles von Licht und Schatten, das die Assoziationskräfte beflügelt.

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Tuschezeichnungen

Die Pinselzeichnungen mit Tusche (und teilweise unter Verwendung von Titanweiß) stammen aus den 80er und 90er Jahren. Im Fokus steht vor allem die einzelne Figur, oft der weibliche Akt, meist ohne jedes weitere Beiwerk.

Niemöller zeichnet mit schnellem, sicheren Pinselstrich in einem reduzierten zeichnerischen Gestus, der mit der Fokussierung auf den Bildgegenstand korrespondiert. Die expressive Präsenz des konzentriert Dargestellten macht den Reiz dieser Blätter aus.

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Collagen

Mit den um das Jahr 1990 herum geschaffenen abstrakten Collagen knüpft Niemöller an für ihn Bewährtes an: Wie schon bei seinen Holzskulpturen dienen Überbleibsel unseres menschlichen Alltags, in diesem Falle solche aus Stoff und Papier, als Material.

Auch bei den Collagen führt die künstlerische Verarbeitung der ausgewählten Reste zu neuen ästhetischen Objekten mit eigener Identität. Wichtig ist dabei der gezielte Einsatz der Farbe.

Durch ihren unprätentiösen Gestus wirken die Collagen offen – teilweise schwebend, teilweise brillant – und entfalten so ihre atmosphärische Kraft.

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Kreidezeichnungen

Zu Beginn der 90er Jahre entsteht ein in seiner thematischen Bandbreite vielfältiges Konvolut von Kreidezeichnungen, meist auf Packpapier.

Von schwarz-weiß bis farbig, von der Figur, vom Gegenständlichen über die Form zum Muster, vom Spiel zum Ernst entfaltet Niemöller seine Themen, die er mit dem schöpferischen Elan angeht, der auch aus seinen Zeichnungen spricht.

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